Sonntag, 4. Januar 2015

[Rezension] Doppelt hält besser: Flavia de Luce 1 & 2: Mord im Gurkenbeet & Mord ist kein Kinderspiel






England, Mitte des 20. Jahrhunderts: Die elfjährige Flavia de Luce, deren Mutter kurz nach ihrer Geburt unter mysteriösen Umständen verstorben ist, lebt zusammen mit ihrem verschrobenen, briefmarkenversessenen Vater sowie ihren gehassliebten Schwestern Ophelia und Daphne, liebevoll Feely und Daffy oder auch die Giftspritzen genannt, zurückgezogen auf dem alten Landsitz Buckshaw. Anders als ihre älteren Schwestern, die sich bevorzugt für ihren Schminkspiegel (Feely) oder die Gesamtausgabe englischer Literatur (Daffy) interessieren, frönt Flavia ein äußerst ungewöhnliches Hobby: Die Chemie, Spezialgebiet: Die Herstellung von Giften. So verbringt die naseweise Flavia ihre Tage auf Buckshaw, mischt sich allerlei teuflische Substanzen zusammen, mit der sie ihre Schwestern beglücken könnte, wenn da nicht hin und wieder ein Mord passieren würde, der darauf wartet, von ihr gelöst zu werden. Allein durch ihre gewitzte und forsche Art, ihre schnelle Auffassungsgabe und natürlich unter dem Einsatz einiger besonderer chemischer Substanzen, tanzt das Mädchen den ermittelnden Inspektoren fröhlich auf der Nase herum und erweist sich als überaus scharfsinnige und unglaublich gerissene Privatermittlerin, die mit einer gehörigen Prise Sarkasmus dem Mörder auf die Spur kommt.
Titel: Flavia de Luce 1 - Mord im Gurkenbeet
Autor: Alan Bradley
Verlag: Blanvalet
Erscheinungsjahr: 2010
Preis: 8,99€
Seiten: 400
In ihrem ersten Fall geht es um einen unbekannten Mann, den Flavia höchstpersönlich am frühen Morgen im Gurkenbeet auffindet: Tod durch Vergiften, also ein Mord ganz nach Flavias Geschmack. Da ihr Vater des Mordes an diesem Mann verdächtigt wird, seine Tochter jedoch von dessen Unschuld überzeugt ist, setzt sie alles daran, den wahren Mörder zu fassen und ermittelt fortan, zum Ärger der ermittelnden Inspektoren, auf eigene Faust.

Titel: Flavia de Luce 2 - Mord ist kein Kinderspiel
Autor: Alan Bradley
Verlag: Blanvalet
Erscheinungsjahr: 2011
Preis: 8,99€
Seiten: 368
Einige Zeit später: Flavia hat sich durch ihre Fähigkeiten einen Ruf in England geschaffen (angeblich weiß jeder innerhalb von 50 Meilen von ihren Fähigkeiten), als schon der zweite Fall ruft: Diesmal ist es ein bekannter und vor allem bei Kindern sehr beliebter Puppenspieler, der bei während seiner Puppenspiel-Aufführung von „Jack und die Bohnenranke“ kaltblütig ermordet wird und wieder liegt es an Flavia, den Inspektoren die entscheidenden Hinweise zu geben und ganz nebenbei noch einen anderen, tragischen Todesfall aufzulösen.




Flavia ist wahrlich ein wunderliches Geschöpf. Und dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) habe ich sie gern in ihre skurrile, von der Chemie dominierte Welt begleitet, folgte ihr mit ihrer treuen Wegbegleiterin Gladys (dem Fahrrad ihrer Mutter) in das verschlafene, vor Buckshaw gelegene Dörfchen Bishop’s Lacey und überlegte mit ihr gemeinsam, wer wohl der Mörder gewesen sein könnte.
Alan Bradley versetzt den Leser sehr gekonnt in die Rolle des Dr. Watson, der die Welt zwar mit den gleichen Augen sieht wie Sherlock Holm…, äh ich meine Flavia de Luce, doch deren Interpretation der Dinge einfach um Längen besser ist. Wen wundert’s, schrieb der Autor 2004 auch zusammen mit William A. S. Sarjeant „Ms. Holmes of Baker Street“ (Quelle: Wikipedia).
Grundlegend: Die Romane von Flavia de Luce sind in erster Linie klassische als auch moderne Kriminalromane zugleich, denn die Fakten liegen eigentlich die ganze Zeit auf dem Tisch. Man muss sie nur sehen. Flavia tut es und wenn man sich die Details und Beschreibungen genau durchliest, kommt man auch als Dr. Watson manchmal zu einem Geistesblitz, während Flavia das ganze Puzzle schon längst aufgelöst und den ahnungslosen Inspektoren (oder sogar dem Mörder selbst) erklärt hat, wie der Mord geplant und durchgeführt wurde und welches Motiv der Mörder verfolgte.
Trotz ihrer neunmalklugen Art war mir Flavia von Anfang an sympathisch, weil sie einfach undurchschaubar ist und manchmal dennoch die typischen Verhaltensweisen eines Mädchens an den Tag legt, das die Geheimnisse der Welt ergründen und ihren Mitmenschen aus aufrichtigen Gefühlen helfen will. Sie ermittelt nicht aus Eigennutz (außer vielleicht, weil sie sich dadurch ein paar unheimliche Substanzen zusammenmischen kann), sondern um ihren Mitmenschen zu helfen und das macht sie zu einer liebevollen Heldin, die trotzdem bevorzugt in ihrer eigenen Welt lebt - einer Welt, in der nicht einmal ihr Vater und schon gar nicht ihre Schwester ihr folgen können, denn ihr eigenes Labor ist der einzige Ort, an dem sie ganz sie selbst sein kann.




Die Serie von Flavia de Luce strotzt nicht nur vor schwarzem Humor und einer Menge Sarkasmus, sondern auch vor Anspielungen auf bekannte Maler (nebst Beschreibungen berühmter Bilder), Musiker (die in manchen ihrer Stücke einfach keinen Abschluss finden), Forscher (die ihren Nachkommen zum Beispiel ein fantastisches Chemielabor vermachen) und Autoren (wer sich dafür interessiert, sollte sich Daffys ständig wechselnde Lektüre, hinter der sie vermutlich den Großteil ihres Lebens verbringt, mal zu Gemüte führen). Nachdem ich mich im ersten Band erstmal nur berieseln ließ, habe ich allmählich angefangen, einige der Anspielungen auch zu googeln und nachzuschlagen und ich kann euch versprechen: Es lohnt sich allemal. Ich habe so zum Beispiel viel von Mutter Gans (auch Mother Goose oder Ma Mère l’Oye) erfahren, die im zweiten Band der Serie erwähnt wird. So wurde mein Interesse für englische Märchen geweckt und man taucht dadurch noch besser in Flavias verwunschene Welt eines längst vergangenen, im Roman jedoch überraschend lebendigen Jahrhunderts ein. Nun kenne ich auch einen der bekanntesten Kinderreime, den Mutter Gans erzählt hat (die Lösung ist nicht schwer ^^):

As I was going to St Ives
I met a man with seven wives
Each wife had seven sacks
Each sack had seven cats
Each cat had seven kits
Kits, cats, sacks, wives
How many were going to St Ives?

Wo wir gerade beim Englischen sind ... Leider war es den deutschen Übersetzern aus irgendeinem, mir bisher unerfindlichen Grund wohl nicht möglich, sich bei der Übersetzung der Titel am englischen Original zu orientieren. Deswegen hat der Mord im Gurkenbeet herzlich wenig mit einem süßen Kuchen zu tun ("The Sweetness at the Bottom of the Pie") und woher das sprichwörtliche Kinderspiel im zweiten Band kommt, kann ich mir bei dem Originaltitel "The Weed That Springs The Hangman's Bag" beim besten Willen nicht erklären.




Flavia de Luce war für mich trotz alledem (dafür kann die Kleine selbst ja nichts, da dies dem befremdlichen Eigenwillen deutscher Übersetzungen geschuldet ist) auf jeden Fall ein tolles Erlebnis und auch die folgenden Bände, mit denen ich meinen Kindle schon bereichert habe, werde ich auf jeden Fall in absehbarer Zeit lesen, um mehr von Flavia zu erfahren und sie erneut in guter alter Watson-Manier zu begleiten. Beim zweiten Band  habe ich sogar einige der gegebenen Hinweise ebenfalls richtig interpretiert und freue mich schon darauf, das nächste Mal wieder mitfiebern zu können. Man sollte sich jedoch, wie schon erwähnt, auch etwas für die Hintergründe des letzten Jahrhunderts interessieren und bereit sein, das ein oder andere Detail nachzuschlagen, um dem Lesevergnügen das letzte „i-Tüpfelchen“ zu geben.

Von mir gibts für die forsche Flavia deshalb fünf von fünf Sternen.


★ ★ ★ ★ 



Bis zum nächsten Mal,
eure Bee.

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