Donnerstag, 14. Mai 2015

[Rezension] Alan Bradley: "Flavia de Luce 4 - Vorhang auf für eine Leiche"

Deutscher Titel: "Flavia de Luce 4: Vorhang auf für eine Leiche"
Originaltitel: "I Am Half-Sick of Shadows: A Flavia de Luce Mystery"
Autor: Alan Bradley
Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag (Taschenbuch) // Penhaligon Verlag (Kindle-Edition)
Erscheinungsjahr: 2012
Format // Preis: 8,99€ (Taschenbuch) // 7,99€ (Kindle-Edition) // 19,99€ (Gebundene Ausgabe)
Seiten: 320






Die Weihnachtszeit hat begonnen und für die kleine Flavia verwandelt sich Buckshaw, der Landsitz ihrer Familie, allmählich in ein Winter-Wunder-Land. Doch hinter den dicken Mauern ist nicht alles so rosig, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint: Die Geldsorgen und der Schuldenberg der Familie de Luce nehmen zunehmend bedrohliche Ausmaße an. Deswegen entschließt sich Flavias Vater trotz seiner einsiedlerischen Art dazu, einem Filmteam Zutritt auf Buckshaw zu gewähren, damit diese das Anwesen gegen ein entsprechendes Entgelt als Drehort nutzen können.
Kurz darauf verbreitet sich die Nachricht über die Ankunft der Filmcrew auch in Bishop’s Lacey und dessen Bewohner strömen in Scharen nach Buckshaw, um den Star des Films, die berühmte Schauspielerin Phillys Wyvern, live zu sehen. Als in der Nacht jedoch ein verheerender Schneesturm ausbricht, sind die Schaulustigen gezwungen, länger auf Buckshaw zu bleiben, als ihnen lieb ist. Und dann passiert das Unfassbare: Eine erdrosselte Leiche wird gefunden, natürlich von keiner anderen als der naseweisen Flavia. Ihr wird schnell klar, dass sich der Mörder noch im Haus befinden muss und beginnt unverzüglich mit ihren Ermittlungen. Dabei wollte sie eigentlich in diesem Jahr endlich den Weihnachtsmann auf frischer Tat ertappen …




"Nasskalte Nebelranken erhoben sich vom Eis wie gepeinigte Seelen, die ihre leibliche Hülle verließen."




Für mich ist es immer ein kleines Highlight, wenn ich zwischen einigen Büchern den nächsten Band der Flavia-de-Luce-Serie einschieben kann. So lässt sich das Lesevergnügen noch eine Weile hinausschieben und ich kann mich darauf freuen, in welcher mörderischen Angelegenheit die kleine Flavia wohl als nächstes ermitteln wird. Da es bisher so war, dass jedes Jahr ein neuer Teil veröffentlicht wurde, hoffe ich auf ein lange andauerndes Lese-Erlebnis :-)

An diesem Roman hat mir zunächst sehr gut gefallen, dass er während der Weihnachtszeit stattfindet. Im Nachhinein finde ich es sogar ein bisschen schade, dass die Weihnachtszeit schon eine Weile zurücklag, als ich dieses Buch gelesen habe. Deswegen habe mir diese Geschichte auf jeden Fall für das nächste Weihnachtsfest als stimmungsvolle Nochmal-Lese-Lektüre vorgemerkt. Denn, wie ich es schon von Alan Bradley kenne, spielt er auch hier mit allen bekannten Klischees, die ein größeres Themenfeld wie dieses eben so hergibt: Da ist ein abgelegenes Landhaus, ein heimtückischer Mord, ein schlimmer Schneesturm, der alle Anwesenden zu potentiellen Mördern macht und eine gewitzte Ermittlerin, die den Zauber der Weihnachtszeit auf ihre ganz eigene, sehr charakteristische Weise beschreibt (Was für ein faszinierendes Element ist dieses H20, das in drei verschiedenen Aggregatzuständen auftreten kann, von denen die feste, eisige Form wohl die schönste ist).

Wie ich es schon im letzten Band: „Halunken, Tod und Teufel“ angedeutet habe, scheint sich die Serie zunehmend auf Flavias verschrobene Familie zu konzentrieren, so dass der Mord selbst nicht länger das dominierende Problem ist. Diese Veränderung fiel mir auch in diesem Band wieder auf: Der Mord selbst war zwar das Material für die Mehrzahl der Seiten, doch daneben war auch häufiger als sonst von Flavias verstorbener Mutter sowie deren giftspritzigen Schwestern die Rede. Diese Details tauchten zum Beginn der Serie noch eher hintergründig auf, um Flavias Wesen und ihre Umgebung besser zu beschreiben, während sie nun einen zweiten Handlungsstrang neben der eigentlichen Handlung markieren. Es ist mehr als absehbar, dass der Autor plant, diese Veränderungen (zum Beispiel das scheinbar zerrüttete Verhältnis zwischen Flavia und ihren Schwestern Daphne und Ophelia) weiter auszubauen, damit sie im Laufe der Zeit eine nachvollziehbare Entwicklung durchlaufen kann. Denn, sosehr ich es mir auch wünschen würde, bleibt Flavia nicht immer ein elfjähriges „Kindchen“, das bei allen Dorfbewohner eine kindliche Narrenfreiheit genießt, sondern sie wächst an den Herausforderungen, die ihr gestellt werden.

Ansonsten bleibt Alan Bradley seiner gewohnt sarkastischen Art treu und segnet Flavia auch hier wieder mit einer ordentlichen Prise an schwarzen Humor, mit dem sie jeden zum Schweigen bringt, der ihr dumm kommt. Der Schreibstil ist angenehm und stimmungsvoll, so dass ich wieder einmal das Gefühl hatte, mich mitten im Geschehen zu befinden und bei der Auflösung des Mordes mitraten zu können. Auch die einzelnen Personen sind so unverwechselbar und einzigartig, dass ich mich in (fast) jede von ihnen (sogar Flavias eigensinnige Schwestern) sehr gut hineinversetzen und die Gedanken und Motive der betreffenden Person gut nachvollziehen konnte. Außerdem fand ich es sehr schön, dass Dogger (eine meiner persönliches Lieblingsfiguren ^^) in diesem Band eine wichtigere Rolle zukam als nur das „Mädchen für alles“ auf Buckshaw zu spielen: Er tritt das erste Mal als jemand auf, den man annähernd als Flavias ermittelnden „Partner“ bezeichnen könnte, indem er mit ihr über ein Motiv diskutiert und ihr in brenzligen Situationen zur Seite steht.




Ich hatte schon im letzten Band erwähnt, dass ich mir nicht ganz sicher war, ob ich die Richtung, in die sich die Serie voraussichtlich entwickeln wird, eher als positiv oder negativ einschätzen würde. Meine Zweifel ließen sich darauf zurückführen, dass Alan Bradley zwar erstmals auch auf die Familiengeschichte der Famille de Luce eingeht, dies jedoch meiner Meinung nach noch nicht richtig ausgereift ist. Deswegen wollte ich gerne den nächsten (also diesen) Band abwarten und dann entscheiden, ob die langsamen Veränderungen gut umgesetzt worden waren oder nicht.
Und, so sehr ich die Serie auch mag, muss ich leider zusammenfassend sagen, dass sich meine Hoffnungen und Erwartungen nicht erfüllt haben. Auch in diesem Band wurden viele offenen Fragen nur wiederholt oder kurz angerissen, aber nie vollständig aufgeklärt. Auch Kleinigkeiten und Spielereien in der Geschichte, mit denen der Autor gut hätte arbeiten können, blieben bis zum Ende unbeantwortet. Als Beispiel fällt mir da die Angestellte von Phillys Wyvern ein, deren Rolle in diesem Teil vermutlich eine der geheimnisvollsten darstellt, obwohl nicht erklärt wird, warum sie denn so seltsam ist. Oder die Erklärungen fielen verhältnismäßig halbherzig aus, so dass sie gar nicht zu dem liebevoll beschriebenen Bild der Serie im Allgemeinen passten.

Ich will Flavia deswegen nicht schlecht reden, auf keinen Fall. Nicht ohne Grund habe ich dieses Buch schließlich innerhalb weniger Tage regelrecht verschlungen und konnte es kaum zur Seite legen. Doch ich hatte einfach mehr erwartet, weil die ersten beiden Bände so hohe Maßstäbe angesetzt hatten. Im Moment sehe ich jedoch noch keine Notwendigkeit darin, meine Anforderungen an diese Serie deswegen herunterzuschrauben, solange Flavias Sprüche noch so bissig sind und ihre Vorliebe für die Chemie sie so sympathisch macht. Deswegen hoffe ich nun erneut für den nächsten Band, dass sich das Warten gelohnt hat und Flavia endlich wieder in Fahrt kommt. So wie es sich eben für einen weiblichen und elfjährigen Sherlock Holmes gehört.




Wer Flavias neunmalkluge Art mit den ersten drei Bänden schon kennen und lieben gelernt hat, wird auch mit der Fortsetzung: “Halunken, Tod und Teufel“ nicht enttäuscht sein. Gerade die weihnachtliche Stimmung und dann noch die vielen möglichen Verdächtigen, die für den Mord in Frage kommen, machen dieses Buch zu einem klassischen Winter-Kriminal-Roman, der gekonnt die damit verbundenen Klischees aus einem anderen, parodierten Blickwinkel betrachtet. Dennoch fehlt an manchen Stellen die Liebe zum Detail, gerade wenn um es offene Fragen bezüglich der Familie de Luce und kleine Spielereien in der Handlung geht, von denen die ersten beiden Bände nur so strotzten und die mich auch gerade deswegen so begeistern konnten.
Deswegen gebe ich dem vierten Band der Serie vier von fünf Sternen (und hoffe darauf, dass der fünfte Band der Logik entsprechend vielleicht auch fünf Sterne bekommen wird ^^).

★ ★ ★ ★ ☆



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