Samstag, 7. März 2015

[Rezension] Alan Bradley: „Flavia de Luce 3: Halunken, Tod und Teufel“

Deutscher Titel: "Flavia de Luce 3: Halunken, Tod und Teufel"
Originaltitel: "A Red Herring Without Mustard: A Flavia de Luce Novel"
Autor: Alan Bradley
Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag (Taschenbuch) // Penhaligon Verlag (Kindle-Edition)
Erscheinungsjahr: 2011
Format // Preis: 8,99€ (Taschenbuch) // 5,99€ (Kindle-Edition)
Seiten: 368




Ein neuer Fall für Flavia de Luce, Englands bekannteste kleine Detektivin!
Dabei beginnt alles ganz harmlos, mit einem unbeschwerten Nachmittag auf dem Jahrmarkt von Bishop’s Lacey, auf dem sich Flavia von der Wahrsagerin Fenella die Zukunft voraussagen lassen will - bis sie versehentlich deren Zelt in Brand setzt! Als Wiedergutmachung bietet sie der älteren Frau an, die Nacht auf den Ländereien von Buckshaw zu verbringen, wo Flavias Familie schon seit vielen Generationen lebt.
Doch dann fällt Fenella einem schrecklichen Attentat zum Opfer und Flavia setzt alles daran, diesen Fall aufzuklären und den Täter zu zu entlarven. Unterstützung erhält sie dabei von ihrer treuen Freundin Gladys, dem Fahrrad ihrer Mutter und ihrem ganz besonderem Spezialgebiet: Der Chemie.




„Du machst mir Angst“, murmelte die Wahrsagerin. „Meine Kristallkugel war noch nie so dunkel.“





Flavia de Luce hat sich schon mit ihrem ersten Fall „Mord im Gurkenbeet“ einen festen Stammplatz in meinem Regal erobert - und in meinem Herzen. Selten traf ich eine so gerissene, neugierige, mit reichlich schwarzen Humor gesegnete, aber gleichzeitig so liebenswerte Protagonistin wie dieses neunmalkluge Mädchen, die mit Begeisterung hochgiftige Substanzen in ihrem Chemielabor zusammenstellt - einfach nur, um sich an den chemischen Reaktionen zu erfreuen und sich die Auswirkungen ihrer Gifte an ihren bevorzugten Lieblingsopfern vorzustellen, nämlich ihren beiden älteren Schwestern, Ophelia und Daphne.

Nichtsdestotrotz ist Flavia aber auch ein elfjähriges Mädchen, das aus sehr ritterlichen Motiven handelt. Sie hilft Fenella und macht sich erst danach Gedanken darüber, wie ihr verschrobener Vater darauf reagieren könnte, dass eine Zigeunerin samt Kutsche und verfressenem Pferd auf seinem Grundstück kampiert. Sie triezt ihre Schwestern auf eine kindliche, fast schon naive Weise und muss dafür teilweise üble Angriffe über sich ergehen lassen. Ihrem Vater sieht sie es nach, dass er sich in erster Linie auf seine Briefmarken konzentriert und die meiste Zeit in einer Art Vakuum lebt, wo nur Fehlprägungen und seltene Ausgaben existieren. Und Dogger, der auf Buckshaw sozusagen als „Mädchen für alles“ fungiert, zählt zu Flavias engsten Vertrauen, obwohl er seit dem Krieg in seiner eigenen Welt lebt. Es ist fast rührend, wie behutsam Flavia seine seltsamen Marotten beschreibt, anstatt ihm einfach einen Dachschaden zu unterstellen.

Nachdem ich schon in den ersten beiden Bänden Flavia unglaublich gern begleitet habe und bei der Auflösung des Mordfalls mitgeraten und mitgefiebert hatte, war ich überrascht, dass in diesem Band zum ersten Mal auch Flavias Familie ein bisschen mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde. Zwar lassen sich alle Teile von Flavia de Luce auch unabhängig voneinander lesen, da sie nicht aufeinander aufbauen, sondern meistens nur am Rande erwähnt wird, dass Flavia schon einmal eine Leiche entdeckt hat usw. Doch in diesem Fall hatte ich das erste Mal das Gefühl, Flavia nicht nur als unglaublich begabte, zukünftige Chemikerin (oder Gitmörderin, mal schauen ^^) kennen zu lernen, sondern auch als ein elfjähriges Mädchen, das um ihre Mutter trauert, obwohl sie keine Erinnerung an sie hat und trotz ihrer fröhlichen Art manchmal sehr einsam ist. Dass sie ihr Fahrrad Gladys zu ihren besten Freunden zählt und sie ein wenig der Zeit hinterher trauert, als sie sich mit ihren bösartigen Schwestern noch besser verstand, lässt sie weniger abgehoben wirken als in den ersten beiden Bänden und verschafften ihr bei mir einige zusätzliche Sympathiepunkte.

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum sich der eigentliche Gegenstand der Flavia-de-Luce-Reihe (nämlich ein Mord) in dieser Geschichte  meiner Meinung nach nicht richtig entfalten konnte. Zwar war der Plot unglaublich spannend angelegt, es wurden nach und nach immer dunklere Mordmotive von Flavia enthüllt, dann kam es zu einer finalen Konfrontation, doch die Aufklärung selbst fiel überraschend nüchtern aus. Zugegeben, ich hatte keinen nervenaufreibenden Endkampf zwischen einer Elfjährigen und einem unbekannten, gefährlichen Mörder erwartet, aber ich weiß einfach, dass Flavia eigentlich mehr zu bieten hat. Die Auflösung ihres zweiten Falls war eine Glanzleistung allererster Güte und ich bewunderte Flavia für eine Auffassungsgabe und ein Geschick im undurchsichtigen Kombinieren der Möglichkeiten, die ihresgleichen suchen. Doch dieser neue Fall forderte keine Höchstleistungen von ihr. Das ist zwar auch nett, da man als Leser besser mitraten konnte, doch am Ende fehlte dadurch etwas. Der ganze Roman war spannend und fesselnd, aber das Ende fiel demgegenüber sehr einfach und unspektakulär aus. Oder, anders formuliert: Sherlock hatte auch seine Gründe, warum er nicht jeden Fall angenommen hat, sondern nur die richtig kniffligen Brocken. Und so etwas hatte ich eigentlich auch von Flavia erwartet.




Der dritte Band der Serie heißt: „Flavia de Luce 3: Halunken, Tod und Teufel“. Der englische Originaltitel lautet: „A Red Herring Without Mustard: A Flavia de Luce Novel“. Ich schaue mir beide Titel an, schüttle den Kopf und frage mich: „Jetzt mal ganz ehrlich: WARUM???
Ich habe es schon bei den ersten beiden Bänden nicht richtig verstanden, warum die Originaltitel anscheinend zu schwierig zu übersetzen waren und dass sich irgendjemand kurzerhand wohl dachte: „Ach komm, wir nehmen einfach irgendeinen Titel, der irgendwie etwas mit Mord zu tun hat. Oder halt, wir nehmen drei Titel und machen eine Aufzählung draus.“
Und schwups, wurde aus dem wunderbar passendem Originaltitel (der zudem auch genau den typischen schwarzen Humor der Serie erfasst hat), der unglaublich sperrige und widersinnige Titel: „Halunken, Tod und Teufel“. Keiner dieser drei Berufsbilder hat auch nur im Entferntesten etwas mit der Geschichte zu tun, gar nichts! Und ich musste jedes Mal, wenn ich den Titel hier veröffentlichen wollte, nachschauen, wie er denn eigentlich lautet. Wie schon auch bei dem ersten und zweiten Band. Flavia selbst würde vermutlich sagen: „Für solche Leute hab ich Stehplätze in der Hölle reservieren lassen“, aber mir genügt es schon, wenn der Titel wenigstens ein bisschen zur Geschichte passen würde. Es muss ja keine Eins-zu-Eins-Übersetzung sein.

Nun komme ich aber zu meinen angenehmen Erlebnissen mit Flavias neuen Fall, denn auch wenn mich das Ende nicht ganz überzeugen konnte, war die Geschichte dennoch gespickt mit großartigen Details und Hintergrundinformationen, die faszinierend und lustig zugleich waren. Noch einmal der Tipp, den ich schon in meine Rezension des ersten und zweiten Bandes angeführt habe: Es lohnt sich wirklich, einige Sachen auch mal nachzuschlagen. Man erfährt so sehr viele skurrile Details, die der Autor mit viel Fingerspitzengefühl in die Handlung mit eingeflochten hat. Woher sonst hätte ich erfahren, dass das noble Wort „Boudoir“ das elegante Zimmer einer Dame bezeichnet oder dass Flavia zu meiner großen Freude einen der beliebtesten Kinderverse aus Mutter Gans zitiert hat, auf den ich schon in meinem Nachforschungen beim Lesen des zweiten Bandes gestoßen bin (in meiner Rezension findet ihr den vollständigen Vers), Flavias abgewandelte Version lautet:

Als der Förster in den Wald ging,
kamen ihm sieben alte Weiblein entgegen,
von denen jedes sieben Käfige mit sieben Finken drin trug.
Jeder Fink hatte sieben Junge.
Wie viele alte Weiblein, Käfige, Finken und Finkenjunge gingen in den Wald?

Und, ein weiteres Highlight, auf das ich während des Lesens gestoßen bin und das ich euch ebenfalls nicht vorenthalten will: Bei einem ihrer literarischen Zusammenkünfte (also den Leseabenden auf Buckshaw) erfährt Flavia von ihre Schwester Daffy, die vermutlich mit einem Buch in der Hand zur Welt gekommen ist, dass ein gewisser Dr. Samuel Johnson allen weiblichen Wesen strengstens davon abrät, einen Pinsel in die Hand zu nehmen und Portraits zu malen, da ihnen dazu einfach die Fingerfertigkeit fehle. Flavia merkt daraufhin an, dass vermutlich niemand gern den werten Verfasser selbst gezeichnet hätte, da er aussehen würde wie ein Kröte. Neugierig geworden, suchte ich nach dem betreffenden Herrn im Internet und siehe da:


Dr. Johnson hat sich inzwischen zu einem überall auf der Welt bekannten Internet-Meme gemausert. Ob der Autor das damals (2010/2011) schon gewusst hat? ;-)




Generell verdient Flavia eigentlich schon für ihre einzigartige, liebenswerte und manchmal auch etwas skurille Art die vollen fünf Sterne. Doch ich bewerte diesen Roman nicht in Vergleich mit anderen Roman, sondern nur mit den ersten beiden Bänden, die ich bereits gelesen habe und muss deswegen zugeben: So spannend die Geschichte auch war, das Ende kam leider zu kurz. Auch die Familiengeschichte, die der Autor dieses Mal stärker aufgegriffen hatte, blieb zum Ende zu unausgereift und vermittelte nur einen groben Abriss, der noch viele Fragen offen ließ. Aber wer weiß? Vielleicht beginnt mit diesem Teil nun doch ein dickerer roter Faden, der sich stärker durch die Geschichte zieht und der den Mord als Hauptbesetzung ablöst. Vielleicht erfahren wir in Zukunft mehr von Flavias Leben auf Buckshaw, ihrer Vergangenheit, dem mysteriösen Tod ihrer Mutter und mehr von Flavias verschlossenen Vater. Mir würde das gefallen. Deswegen bin ich schon sehr gespannt auf den vierten Teil und hoffe, dass die Serie noch laaaange nicht zu Ende ist ^^
Ich gebe dem dritten Teil aus Flavias verwunschener Welt vier von fünf Sternen.

★ ★ ★  ☆


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