Dienstag, 27. Januar 2015

[Rezension] Khaled Hosseini: "Tausend strahlende Sonnen"

Titel: "Tausend strahlende Sonnen"
Autor: Khaled Hosseini
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr: 2007
Preis: 9,99€
Seiten: 400


Inhalt:

Mariam ist fünfzehn Jahre alt, als sie gegen ihren Willen den über dreißig Jahre älteren Schuhmacher Raschid heiraten muss. Da sie als „harami“, also ein uneheliches Kind, nach einem schlimmen Todesfall in ihrer Familie auf sich allein gestellt ist, fügt sie sich ihrem Schicksal und zieht zu Raschid nach Kabul, weit fort von dem ländlichen Leben, das sie bisher kannte. Dort angekommen, zeigt ihr Mann indes seinen wahren Charakter: Fast tagtäglich wird Mariam von ihm verprügelt und erniedrigt. Niemand kommt ihr zu Hilfe, kein Gesetz schützt die junge Frau vor den Tätlichkeiten ihres eigenen Mannes.
Einige Jahre später wendet sich das Blatt, als Raschid das junge Mädchen Laila, die ebenfalls unter tragischen Umständen ihre Familie verloren hat, zu seiner zweiten Ehefrau nimmt. Mariam begegnet ihrer neuen Mitbewohnerin zunächst mit Misstrauen und Feindseligkeit. Allmählich erkennen die beiden Frauen jedoch, dass sie durch ihre Vergangenheit und die Grausamkeiten, die sie mit Raschid erdulden müssen, viel miteinander verbindet. So werden Mariam und Laila unzertrennliche Freundinnen und gemeinsam suchen nach einem Weg, sich gegen ihrem aggressiven Ehemann zu wehren und aus der kriegszerrütteten Stadt Kabul zu fliehen.



Meine Meinung:

Diesen Roman habe ich mir einfach aus dem Grunde gekauft, weil er zu den aktuellen Bestsellern gehört. Ich treibe mich oft auf der Suche nach neuem Lesestoff in den Bestsellerlisten herum und obwohl jene Bücher nicht ohne Grund zu den meistverkauften Büchern gehören, ist es dennoch nicht schwer, ein Buch zu finden, das auch einige negative Kritiken aufweist. Nicht so jedoch bei „Tausend strahlende Sonnen“: Unzählige positive Bewertungen und Empfehlungen und ebenso viele begeisterte Leser versprechen ein wunderbares Lesevergnügen. Das wollte ich mir einmal genauer anschauen und kam so zu diesem Buch.
Ich muss zugeben: Mit Afghanistan hatte ich bisher (leider) relativ wenig am Hut. Es stellte für mich immer ein fernes Land mit einer mir unbekannten und unvertrauten Kultur und Lebensweise dar, geprägt von Klischees und Terrormeldungen über Al Quaida und die Taliban. Dieses verklärte Bild wollte ich etwas auflösen und hoffte deshalb, von Khaled Hosseini ins einem Werk mehr über dieses außergewöhnliche Land zu erfahren.
Zunächst taucht man jedoch in die Mariams Geschichte ein, von deren früher Kindheit und Jugend der erste Teil des Romans berichtet. Sie wird als ein fröhliches und aufgewecktes Kind beschrieben, doch als sich ihr Charakter nach der Heirat mit dem dreißig Jahre älteren Raschid grundlegend ändert, konnte ich das durch die vorausgegangen Ereignisse sehr gut nachvollziehen. Bei Laila, die der Leser im zweiten Teil kennen lernt, ging es mir ähnlich, wobei mir Laila sogar noch ein bisschen mehr ans Herz gewachsen ist. Dies liegt vermutlich daran, dass ich sie seit ihrer Geburt im Buch kennen gelernt und außerdem vieles über ihre Familie und Freunde erfahren habe. Auch ihre Geschichte, die letztlich ebenfalls zur Heirat mit Raschid führt, hat mich sehr bewegt und stellenweise richtig berührt.
Khaled Hosseini verknüpft im Laufe der Erzählung auf sehr geschickte und anschauliche Weise den Alltag der beiden Frauen mit den aktuellen Ereignissen in Afghanistan und der gegenwärtigen politischen Situation. Dafür lässt er den Roman in den 1980er Jahren beginnen und kurz nach dem Attentat auf das World Trade Center beenden. Für mich persönlich war das sehr interessant, weil ich erst vor kurzem den Roman „Extrem laut und unglaublich nah“ (Die Rezension zu diesem Buch findet ihr hier) gelesen hatte und nun die Geschehnisse aus einer anderen Perspektive betrachten konnte.
Es empfiehlt sich jedoch, während des Lesens auch selbstständig ein wenig über das Land und die Kultur Afghanistans zu recherchieren, denn sonst wird man von den vielen Ereignissen in der mehr als zwanzig Jahren andauernden Erzählung schnell überrollt. Ich habe ab dem folgendem Absatz angefangen, mir die Namen der Politiker und wichtige Ereignisse im Buch zu markieren und gegebenenfalls erneut nachschlagen zu können (kein Spoiler, nur Hintergrundgeschichte):
„Raschid brachte immer neue Nachrichten über den Krieg mit nach Hause und verwirrte Laila mit seinen Ausführungen über wechselnde Allianzen. Nach seinen Informationen bekämpfte Sayyaf die Hazaras, die ihrerseits mit Massoud im Streit lagen.
‚Und der legt sich mit Hekmatyar an, der von den Pakistani unterstützt wird. Die beiden, Massoud und Hekmatyar, sind Todfeinde. Sayyaf schlägt sich auf Massouds Seite. Und Hekmatyar hat jetzt die Hazaras als Verbündete.‘“
Nach dieser Aussage war Laila folglich nicht die Einzige, die von der politisch skurrilen Situation geplättet war. Vielleicht wäre es deswegen praktisch gewesen, als Anhang zur eigentlichen Geschichte einen kurzen geschichtlichen Abriss des Landes zu skizzieren, um dem Leser einen tieferen Einblick zu ermöglichen. Im Nachhinein fand ich das aber nicht schlimm, denn ich habe mich einfach selbst über alles informiert, was ich wissen wollte. Dies ist jedoch für den Leser kein Muss, da man der Geschichte dennoch relativ problemlos folgen kann. Man kann also einfach hinnehmen, dass Kabul (und viele andere Städte) zum Ende des 20. Jahrhunderts beinahe täglich von Raketen bombardiert und Menschen auf offener Straße ebenso wie in ihren Häusern getötet werden, aber all die Grausamkeiten und der Terror lassen sich einfach besser verstehen, wenn man auch die Hintergründe kennt. Oder, was eher zutrifft: Es lässt sich schlechter verstehen, warum ein Land über mehrere Jahre hinweg so viel Leid über sich ergehen lassen musste, was dazu führte, dass viele Menschen (nicht zuletzt der Autor selbst) aus dem Land emigrierten.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich dieses Buch über eine längere Zeit hinweg nicht  losgelassen hat. Obwohl der Schreibstil angenehm war und auch die Umgebung (zum Beispiel Mariams Heimat, das zerstörte Kabul und die leider ebenfalls zerstörten Buddha-Statuen von Bamiyan) sehr anschaulich beschrieben wurde, konnte ich die Geschichte nicht flüssig durchlesen. Mehrfach musste ich innehalten und aufatmen, weil mich das Schicksal von Mariam und Laila unglaublich berührte. Stellenweise kämpfte ich mit den Tränen. Und auch als ich den Roman beendet hatte, konnte ich nicht sofort einen Neuen beginnen, weil ich von der Geschichte noch zu sehr befangen war.



Trivia:

„Tausend strahlende Sonnen“ ist der zweite Roman von Khaled Hosseini und ich habe nach dem Lesen beschlossen, dass es keineswegs mein letztes Buch von diesem Autor sein wird. Seinen folgenden Roman „Traumsammler“ (aus dem Jahr 2013) würde ich gern auf Englisch lesen („And the Mountains Echoed“), weil ich mehr über dieses mir nun nicht mehr ganz so unbekannte Land und dessen Kultur erfahren möchte.
Übrigens: Am Ende des Romans findet sich noch ein Interview mit Hosseini, in welchem er sich näher mit seinen Zielen und Ideen, die dieser Geschichte zugrunde liegen, befasst. Er weist auch darauf hin, dass die Lage in Afghanistan zwar schwierig ist, es jedoch nicht einfach damit getan ist, die Kopftuchpflicht für Frauen aufzuheben. Viele der Probleme und Krisen des Landes haben einen weitaus tieferen, seit vielen Jahrhunderten fest verwurzelten, religiösen Ursprung, der sich durch ein paar gut gemeinte Ideen nicht einfach beheben lässt. Man kann jedoch jene Menschen unterstützen, die aus dem Land flüchten wollen und nun zu Tausenden zusammengepfercht in den Flüchtlingslagern leben. Zu diesem Zweck gründete der Autor die "Khaled Hosseini Foundation" um den Opfern des Terrors zu helfen.



Fazit:

Es stimmt: Dieser Roman hat jede bisher erhaltene positive Bewertung verdient und ich füge hiermit eine weitere hinzu: Ein großartiges, spannendes, trauriges, aber auch ermutigendes Buch, das die Augen öffnet für eine Welt, die uns zwar fremd erscheinen mag, deren Menschen mit ihren individuellen Geschichten jedoch trotz alledem den Leser nicht weniger berühren. Packende und fesselnde Bücher kenne ich viele. Aber einen Roman mit fiktiven Charakteren, der mich ungeachtet dessen zu Tränen gerührt hat? Das gab es schon lange nicht mehr. 
Jeden einzelnen meiner fünf zu vergebenden Sterne hat dieser somit beeindruckende Roman mehr als verdient.

★ ★ ★ ★ ★






Bis bald,
eure Bianca.

2 Kommentare:

  1. Hallo Bianca,

    am 07.06. geht meine Rezension zu diesem Buch auf meinem Blog online. Ich habe dich dort mit deiner Rezension verlinkt. Wenn das nicht gewünscht ist, sag einfach Bescheid! :)

    Herzige Grüße
    Jane

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    1. Hallo Jane,

      das stört mich überhaupt nicht - im Gegenteil: Ich freue mich sehr, dass du ebenfalls eine Rezension zu diesem wunderbaren Roman schreiben und meine Rezension dort verlinken möchtest. Ich hoffe, dir hat die Geschichte gefallen und bin schon sehr gespannt auf deine Meinung :)

      Viele Grüße,
      Bianca

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