Sonntag, 15. Mai 2016

[Rezension] James Dawson: "Sag nie ihren Namen"

Titel: "Sag nie ihren Namen"
Englischer Originaltitel: "Say her name"
Autor: James Dawson
Verlag: Carlsen
Erscheinungsjahr (in Deutschland): 2015
Format // Preis: Taschenbuch: 12,99€ // E-Book:  11,99€
Seiten: 336



Stell dich an Halloween um Mitternacht im Badezimmer vor einen Spiegel. Lösche das Licht und zünde ein paar Kerzen an. Atme tief durch, schau nach vorne und erblicke dein Gegenüber im Spiegel. Nun sage fünfmal laut den Namen - ihren Namen. Die Legende besagt, dass sie dann erscheinen und dich holen wird. Es ist alles nur ein Spiel, eine uralte Mutprobe und dennoch ... Traust du dich?


Die Schülerin Bobbie und ihre beste Freundin Naya haben es getan: An Halloween haben sie sich nachts heimlich mit ein paar Freunden in den alten Gängen des Internats getroffen und anschließend auf der Schülertoilette Bloody Mary beschwört. Jene Mary war vor vielen Jahren eine Schülerin desselben Internats, bis sie eines Tages auf mysteriöse Weise verschwand. Niemand weiß, was mit ihr geschehen ist. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Doch seitdem geht das Gerücht um, dass Marys Geist sich hinter den Spiegeln des Gebäudes verbirgt und jeden heimsucht, der es wagt, sie zu rufen. Bobbie und ihre Freunde halten dies für eine alberne Legende. Doch als sie die Worte gesprochen haben, wurde damit etwas aus dem Jenseits zu sich gerufen. Etwas Dunkles, Grauenvolles. Sie ist ein böser Hauch. Sie lauert in Albträumen. Sie versteckt sich in den Schatten des Zimmers. Sie wartet in jedem Spiegel. Sie ist überall. Und sie plant ihre Rache.




Tropf, tropf, tropf.




Neben ihrer Rolle als leckerer Cocktail mit Tomatensaft und Selleriestaude zählt die Schreckgestalt Bloody Mary vermutlich zu den ältesten und bekanntesten Legenden, die überall auf der Welt - zum Teil auch unter anderen Namen - verbreitet ist. Immer wieder treibt sie neugierige Jugendliche nachts vor den Spiegel, die dann allen Mut zusammenkratzen und den berüchtigten Namen zu rufen. Daraufhin soll angeblich die grauenvolle Gestalt von Mary, die ihren Ursprung in Maria I. hat, auftauchen und ihr Opfer heimsuchen. Die meisten halten diese Geschichte für Blödsinn, doch wenn sie bei einer nächtlichen Pyjama-Party das Thema ist, erreicht man oft irgendwann den Moment, in dem nur noch eine einzige Frage im Raum steht: Traust du dich?
Ich persönlich liebe urbane Legenden und obwohl ich mich stets davor gehütet habe, in diese vertrakte Spiegel-Situation zu geraten, weil ich einfach so eine Schisserin bin, finde ich die Gruselgeschichte von Bloody Mary besonders spannend. Egal, wie oft sie in diversen Filmen, Liedern oder Büchern aufgegriffen wird, ich freue mich immer, wenn sie mir auf diese Weise begegnet. Aber das ist nur einer der Gründe, warum ich mir diesen Roman besorgt habe. Der andere Grund ist schlicht und einfach der dahinter stehende Autor James Dawson. Von eben diesem Autor hatte ich vor einiger Zeit das geniale Aufklärungsbuch "How to be gay" gelesen und war von dem angenehmen, lockeren Schreibstil und der witzigen Umsetzung des Themas so begeistert, dass ich unbedingt mehr von ihm lesen wollte. James Dawson, ein sehr begabter und origineller junger Autor hatte nun also sein neues Werk "Sag nie ihren Namen" verfasst, das sich mit einer meiner bevorzugten urbanen Legenden beschäftigt. Attacke! :D

Und so kam ich zu diesem Buch und hatte damit auch gleich einen "Lesetermin", der wunderbar zum Inhalt der Geschichte passte: Pünktlich zu Halloween tauchte ich in die Geschichte ein und fand mich nachts in dem Mädcheninternat wieder, das die Hauptprotagonistin Bobbie besucht. Diese und ihre beste Freundin Naya treffen sich in einer stürmischen Halloweennacht heimlich mit ein paar weiteren Schülerinnen, die sogar zwei Jungs unerlaubterweise ins Gebäude geschmuggelt hatten. Dort erfahren sie eine etwas andere Geschichte der berüchtigten Bloody Mary: Angeblich soll es sich dabei um eine ehemalige Schülerin des Internats handelt, die wie ihr Vorbild im Inneren der Spiegel haust und dann erscheinen soll, wenn man fünfmal ihren Namen ruft. Diese Geschichte sorgt bei den Teenagern für ordentlich Gesprächsstoff und so kommt es, dass auch Bobbie, Naya und einer der Jungen gegen Mitternacht gemeinsam vor einem Spiegel stehen und sich der Mutprobe stellen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt jedoch keiner von ihnen, was für eine furchtbare Gestalt sie damit aus den Dunkelheit zu sich geführt haben ...

Ich erlebte die Geschichte aus der personalen Sicht von Bobbie und war schon nach wenigen Seiten mitten im Geschehen. Wie von Dawson gewohnt, schreibt er in seinem typisch lockeren, flüssigen Schreibstil, hält sich nicht zu sehr an ausschweifenden Beschreibungen auf und kommt in den relativ kurzen Kapiteln auch meistens ziemlich schnell zur Sache. Deswegen lässt sich dieser Roman, wenn man denn möchte, auch mit seinen knapp 300 Seiten ohne viel Mühe in einer (Halloween-)Nacht durchlesen. Dies hängt auch damit zusammen, dass der rote Faden der Geschichte relativ eindeutig ist und die Handlung nicht allzu sehr in die Tiefe geht. Etwas anderes habe ich von diesem Buch jedoch auch nicht erwartet, denn das ist auch nicht der Stil des Autors. Stattdessen präsentiert er eine angenehme, an einigen Stellen auch etwas unheimliche Gruselgeschichte, die sich unglaublich angenehm lesen lässt und an den richtigen Stellen ordentlich Spannung aufbaut.

Ausnahmsweise gefällt mir auch der deutsche Titel im Vergleich zum englischen Originaltitel sehr gut: Aus dem englischen Titel "Say her name" (deutsch: "Sag ihren Namen") wurde so der deutsche Titel "Sag nie ihren Namen". Eine nette Spielerei, die mir persönlich sehr gut gefallen hat.

Das deutsche und englische Cover im Vergleich:


Auch die auftretenden Personen in der Geschichte haben mir gut gefallen, auch wenn einige der Nebenfiguren im Vergleich zur Hauptperson Bobbie etwas blass erschienen und zum Teil zu wenig Ecken und Kanten hatten. Dafür konnte ich mich in Bobbie gut hineinversetzen, weil sie genau wie ich zunächst versuchte, einen logischen Grund für all die ungewöhnlichen und gruseligen Dinge zu finden, die sich nach ihrem Ritual mit Bloody Mary ereigneten. Was macht man zum Beispiel, wenn man herausfinden möchte, wer diese mysteriöse Schülerin Mary tatsächlich war und warum sie vor so vielen Jahren einfach verschwand? Richtig, man fragt erstmal Google. Und wie es im richtigen Leben ist, liefert der erste Eintrag natürlich nicht sofort einen Treffer, sondern man landet erstmal bei einer weiteren Adaption von Bloody Mary, die in der ersten Staffel von Supernatural aufgegriffen wird. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie gut sich der Autor an der tatsächlichen Lebenswelt seiner Leser orientiert und seine Geschichte perfekt daran anknüpft.

Wie bereits erwähnt, kam ich mit dem Lesen dieses Buches unglaublich schnell voran, weil ich natürlich auch wissen wollte, was es mit der Schülerin Bloody Mary auf sich hatte und sich nebenbei auch eine kleinen Romanze zwischen Bobbie und einem der Jungen anbahnte. Und auch wenn ziemlich schnell klar war, worauf das Ganze hinauslaufen sollte, erlebte ich zum Ende der Geschichte noch eine kleine Überraschung, die das Geschehen gut abrundete.




"Sag nie ihren Namen" ist eine solide, in sich geschlossene und spannende Gruselgeschichte, die sich in erster Linie an junge Leser richtet und die ich deswegen eindeutig in den Bereich der Jugendliteratur einordnen würde. Nichtsdestotrotz kann die Geschichte mit einigen unheimlichen Stellen aufwarten und nimmt im Laufe der Geschehens ordentlich Fahrt auf. Wer wie ich gerne die Bücher des amerikanischen Kinder- und Augenbuchautors R.L. Stine liest, wird mit diesem Roman vermutlich ebenfalls ein gruseliges Leseerlebnis haben. Sollte Dawson auch weiterhin als Schriftsteller tätig bleiben (hauptberuflich ist er eigentlich Lehrer) wird es definitiv nicht mein letztes Buch von ihm gewesen sein. Ich hätte mich dennoch gefreut, wenn es mehr gruselige Abschnitte gegeben hätte und die Personen etwas mehr ausgearbeitet gewesen wären, um noch besser in die Story einzutauchen. Deswegen gebe ich diesem Roman drei von fünf Sternen.

★ ★ ★ ☆ ☆

Bis zum nächsten Mal,

3 Kommentare:

  1. Hallo Bianca,

    deine Kritikpunkte kann ich gut nachvollziehen. Die Charaktere habe ich ebenfalls als klischeehaft und die Geschichte nicht ganz so gruselig empfunden. Aber im Endeffekt war ich dann doch nicht so streng. Ich fand es gut, grad für Halloween und jüngere Leser ist es meiner Meinung nach bestens geeignet.

    Liebe Grüße,
    Nicole

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    1. Hallo Nicole,

      ja, insgesamt betrachtet finde ich auch, dass man aus der Story viel mehr hätte machen können. Es wurde zwar in der Geschichte immer erwähnt, wie gruselig das Ganze wäre, aber ein wirkliches Gruselerlebnis hatte ich auch nicht. Da bin ich vermutlich auch durch King etwas abgehärtet ;)

      Liebe Grüße,
      Bianca

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    2. Ja, geht mir ebenso. :-D Aber ein Jugendbuch kann einen Vergleich mit King nicht standhalten.

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